Festlegung von Autorschaften und Autorschaftsreihenfolgen

This article from the 2016 annual report (German) is available in German only.


Rund ein Fünftel der Anfragen, die 2016 an den Ombudsman für die Wissenschaft gerichtet wurden, hatten Konflikte oder Fragen zur Festlegung von Autorschaften und Autorschafts­reihenfolgen zum Gegenstand.

Die Hinweisgebenden gaben überwiegend an, den Fachbereichen der Lebens- oder Naturwissenschaften anzugehören, es wendeten sich aber auch Sozial- und Geisteswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler mit der Bitte um Beratung zu diesen Themenbereichen an den Ombudsman. In einigen Fällen erfuhren Hinweisgeber durch Zufall von einer Publikation, auf der sie nicht als Autor bzw. Autorin genannt worden sind. Der publizierte wissenschaftliche Inhalt würde aus Sicht des oder der Hinweisgebenden jedoch zumindest eine Ko-Autorschaft recht­fertigen. Die Hinweisgebenden hatten sich oft im Vorhinein bereits an die Inhaberin oder den Inhaber der Erst- oder Letztautorschaft gewandt, waren mit der Begründung für die Nicht-Nennung jedoch nicht einverstanden und wandten sich in der Folge mit der Bitte um eine Einschätzung der Sachlage an den Ombudsman. In anderen Fällen kamen Publikationen nicht zustande, weil die an der Manuskript­entstehung beteiligten Autorinnen und Autoren sich nicht über die Autorschaftsreihenfolge einigen konnten. Hierbei kam der Erst- und der Letztautorschaft meist eine besondere Bedeutung zu, da diese im derzeitigen Wissenschaftssystem in der Regel mit dem größten Gewinn an Reputation einhergehen und ökonomisch betrachtet ein „symbolisches Kapital“ darstellen.

In der Empfehlung 11 der DFG-Denkschrift zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis heißt es zunächst: „Autorinnen und Autoren wissenschaftlicher Veröffentlichungen tragen die Verantwortung für deren Inhalt stets gemeinsam.“ Aus dieser Forderung ergibt sich, dass alle Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die inhaltlich zu dem zu publizierenden Projekt beitragen oder beigetragen haben, von Beginn an in den Entstehungsprozess des Manuskripts eingebunden werden sollten.

„Autorinnen und Autoren wissenschaftlicher Veröffentlichungen tragen die Verantwortung für deren Inhalt stets gemeinsam.“

DFG-Denkschrift zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis

Das International Committee of Medical Journal Editors (ICMJE) gibt vier Kriterien an [1], die zum Erwerb einer Autorschaft erfüllt werden sollten: neben einem substanziellen Beitrag zum Manuskriptinhalt sollte die Autorin bzw. der Autor auch an der Erarbeitung des Manuskripts mitgewirkt haben, der finalen Manuskriptversion zustimmen und Verantwortung für alle Aspekte der Publikation inklusive der Sicherung der Einhaltung der Regeln guter wissenschaftlicher Praxis übernehmen. Ähnliche Angaben finden sich auch in Empfehlung 12 der DFG-Denkschrift („Wissenschaftliche Zeitschriften“).

Bestenfalls wird zu Beginn in Abhängigkeit der von beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bereits generierten wissenschaftlichen Beiträge auch ein erster Entwurf für eine Autorschaftsreihen­folge erstellt. Das Committee on Publication Ethics (COPE) empfiehlt im Report „How to handle authorship disputes: a guide for new researchers“[2], Autorschaftsreihenfolgen wenn möglich bereits vor dem Schreiben eines Manuskripts mit allen am Projekt Beteiligten gemeinsam zu erörtern und – sofern möglich – vorläufig festzulegen. Es versteht sich, dass Absprachen zu Autor­schaften während des fortschreitenden Entstehungsprozesses eines Manuskripts einem dynamischen Wandel unterliegen. Auch kann sich die Einbindung aller beteiligten Personen in die Manuskriptentstehung schwierig gestalten, wenn die Autorinnen und Autoren verschiedenen Institutionen angehören. Trotzdem empfiehlt der Ombudsman, alle Ko-Autorinnen und -Autoren über geplante Änderungen am Manuskript umgehend zu informieren, insbesondere, wenn Manuskripte inhaltlich oder im Aufbau aus bestimmten Gründen noch einmal grundlegend überarbeitet werden sollen und sich dadurch Autorschaften und Autorschaftsreihenfolgen ändern könnten. Die Ideen sollten schon deshalb gemeinsam besprochen werden, um späteren potenziellen Konflikten proaktiv vorzubeugen. Gleichfalls kann eine mangelnde Beteiligung am Entstehungsprozess nicht als Rechtfertigung dienen jemanden nicht als Autorin bzw. Autor zu nennen, wenn der oder die Betroffene nicht durch die anderen Autorinnen und Autoren über das geplante Manuskript informiert wurde.
Da der Ombudsman auch Beschwerden von Hinweisgebenden erhält, die zwar im Acknowledgement von Publikationen genannt werden, die sich selbst aber als Autorinnen oder Autoren sehen, empfiehlt das Gremium, auch im Acknowledgement genannte Personen im Vorhinein aktiv über die angedachten Publikationspläne zu informieren.  Bestenfalls können alle Dispute bereits vor dem Einreichen des Manuskripts bei einem Journal geklärt werden.

Weiterhin heißt es in Empfehlung 11 der Denkschrift, „Autorin oder Autor ist nur, wer einen wesentlichen Beitrag zu einer wissenschaftlichen Veröffentlichung geleistet hat. Eine sogenannte „Ehrenautor­schaft“ ist ausgeschlossen.“ Es erreichten den Ombudsman mehrfach Beschwerden von Hinweisgebenden, die sich auf einer Publikation als Autorinnen oder Autoren sahen, da sie aus ihrer Sicht einen wesentlichen Beitrag zu der Veröffentlichung geleistet hatten. Es handelte sich dabei um ehemalige Studierende oder Promovierende, aber auch um Professorinnen und Professoren. Die Hinweisgebenden artikulierten häufig Enttäuschung und Empörung sowie ein Empfinden von Ungerechtigkeit. Insbesondere für Nachwuchswissen­schaftlerinnen und -wissenschaftler kann der Verlust einer Erstautorschaft ein ernstes Problem darstellen, wenn an einem Institut beispielsweise eine gewisse Anzahl Publikationen benötigt werden, um die Dissertationsarbeit oder Habilitation einreichen zu können. Hinweisgeber erwarten vom Ombudsman nach Schilderung des Konflikts und genauer Beschreibung der Datenlage oft eine direkte Einschätzung der Lage. Der Ombudsman wird diesbezüglich vor die Herausforderung gestellt, den „wesentlichen Beitrag“, der einem Wissenschaftler oder einer Wissenschaftlerin eine Autorschaft auf einer Publikation garantiert, zu definieren. Selbstredend hängt die Definition von Kriterien zur Beschreibung eines wesentlichen wissenschaftlichen Beitrags zu einer Fachpublikation stark von der Wissenschafts­disziplin ab. Oft sind die wissenschaftlichen Beiträge von beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern eher relativ zueinander zu betrachten. Weiterhin stellt die Einschätzung einer wissenschaftlichen Leistung im Kern eine wissenschaftlich-inhaltliche Fachfrage dar, auf die der Ombudsman mangels fachlicher Expertise keine Antwort liefern kann und darf. Bei den zur Debatte stehenden Artikeln handelt es sich meist um hochspezifische Fachpublikationen.

Der Ombudsman befragte deshalb im Sinne der Vermittlung nach Rücksprache mit den Hinweisgebenden zunächst die Letztautorinnen und -autoren (meist die Gruppenleiterinnen und -leiter) bezüglich seiner Sicht auf den Sachverhalt. Zusätzlich wurden zum Teil auch die Erstautorinnen und -autoren um Auskunft gebeten. In einigen Fällen konnte aufgeklärt werden, dass der wissenschaftliche Beitrag der nicht als Autorin oder Autor genannten Person im Vergleich zu den geleisteten Beiträgen der weiteren Autorinnen und Autoren keinen Platz in der Autorschaftsliste rechtfertigte. Das Gremium legte den betroffenen Parteien ein klärendes Gespräch nahe und bat die Erst- und Letztautorinnen und -autoren, die Beiträge aller Autorinnen und Autoren noch einmal vergleichend darzulegen, um den Hinweisgebenden zu erläutern, weshalb der Beitrag zwar eine Nennung im Acknowledgement, jedoch keine Autorschaft begründet habe.

Leider muss der Ombudsman basierend auf den Schilderungen mancher Hinweisgebenden feststellen, dass mit Autorschaften zum Teil noch immer ein regelrechter Handel betrieben wird. Oftmals teilen die Hinweisgebenden mit, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler seien aus strategischen Gründen, in der Regel zum Zweck eines Prestigegewinns der beteiligten Autorinnen und Autoren, auf einer Publikation platziert worden, ohne dass ein Beitrag geleistet worden sei. Es handelt sich um die klassischen „Ehrenautor­schaften“. Aus Sicht der guten wissenschaftlichen Praxis ist das Nennen von Wissenschaftlerinnen oder Wissenschaftlern auf einer Publikation die – wenn überhaupt – lediglich einen marginalen Beitrag geleistet haben, absolut inakzeptabel, da die für dieses Fehlverhalten verantwortlichen Wissenschaftler(innen) nicht nur eine Verzerrung des wissenschaft­lichen Wettbewerbes betreiben, sondern Fachkollegen und -kolleginnen aktiv täuschen. Erneut zeigt sich die Wichtigkeit präventiver Weiterbildungsveranstaltungen zur guten wissenschaftlichen Praxis, um die Aufklärung von und die nötige Aufmerksamkeit bei Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern zu gewährleisten.

Da der Ombudsman wahrnimmt, dass bezüglich der Definition und Bedeutung von Autorschaften in der Wissenschaftsgemeinde nach wie vor großer Klärungsbedarf besteht, regt das Gremium des Ombudsman für die Wissenschaft an, die Empfehlung 11 der DFG-Denkschrift mit einer zusätzlichen Erläuterung zu präzisieren bzw. möglicherweise differenzierter auszugestalten. Das Gremium verkennt nicht, dass bezüglich der Benennung von Autorinnen und Autoren fachspezifische Kriterien gelten mögen. Möglicherweise könnten jedoch einige allgemeine sowie auch tiefergehende Hinweise bezüglich einer Best Practice beim gemeinsamen Verfassen von Manuskripten in Ko-Autorschaft hilfreich sein, um Konflikt­situationen vorzubeugen.


[1] http://www.icmje.org/icmje-recommendations.pdf

[2] https://publicationethics.org/files/2003pdf12_0.pdf

Photo by Christin Hume via Unsplash

(Dieser Beitrag ist ein Schwerpunktkapitel des Jahresberichts 2016 des Ombudsman für die Wissenschaft, publiziert am 13.07.2017)