Ehrenautorschaften als Fehlverhalten

Im Jahresbericht 2018 geht das Ombudsgremium auf die Fragen ein, aus welches Gründen es in der Wissenschaft immer noch Ehrenautorschaften gibt, warum diese ein wissenschaftliches Fehlverhalten darstellen, und wie ihnen Einhalt geboten werden könnte.

Ombudsanfragen belegen Diskrepanzen zwischen Autorschafts-Richtlinien und der Praxis

Von den 19 Anfragen zum Thema Autorschaften in 2018 befassten sich fünf mit der Thematik sogenannter „Ehrenautorschaften“. In drei der uns vorliegenden Anfragen legten die Hinweisgeberinnen bzw. Hinweisgeber dar, eine Wissenschaftlerin oder ein Wissenschaftler bestehe darauf, auf einer Publikation als Autorin bzw. Autor aufgeführt zu werden, obwohl kein oder nur ein marginaler Beitrag geleistet worden sei. Derartige Anfragen sind dem Ombudsgremium auch aus den Vorjahren bekannt. Es wurde in der Vergangenheit z.B. angegeben, die Institutsleitung bestehe (mit zum Teil ungeklärter Motivlage) auf die Praxis, kaum oder gar nicht an der Entstehung der Publikation beteiligte Personen unter den Autorinnen und Autoren zu listen. Zum Teil wird berichtet, die institutsleitende Person selbst bestehe standardmäßig darauf, als Autor bzw. Autorin aufgeführt zu werden. In den Natur- und Lebenswissenschaften scheint die Letztautorenposition besonders attraktiv, da diese impliziert, die hier aufgeführte Person habe das Projekt federführend geleitet. In anderen Disziplinen werde aus demselben Grund – so die Hinweisgeberinnen und -geber – seitens der Lehrstuhl­inhaberinnen oder -inhaber trotz marginaler Beiträge vorzugsweise die Erstautorschaft beansprucht. Auch wird berichtet, Gruppenleitende bestünden mitunter auf das Nennen von nur marginal beteiligten Personen, da diese für ihre Karriere „eine Publikation benötigten“ – die Ehrenautorschaft wird hier fälschlicherweise als Mittel der Karriereförderung verstanden. Populär scheint auch die Strategie, eine (nicht am Projekt beteiligte) Person von Rang und Namen aufzuführen, um die Chancen für die Annahme eines Artikels seitens des gewünschten Verlags bzw. Journals zu erhöhen.

Lehrenden, die Kurse zur guten wissenschaftlichen Praxis anbieten, ist die Aussage von Teilnehmenden nicht fremd, die vorgestellten Autorschaftsregeln würden wohl kaum die Wirklichkeit wider­spiegeln. Frustration über die oben geschilderten Szenarien besteht bei Betroffenen und Ombudspersonen gleichermaßen. Gerade beim wissenschaftlichen Nachwuchs stellt sich aufgrund von Abhängigkeiten mit Blick auf die eigene Karriere trotz der erkannten Ungerechtigkeit eine Resignation ein, wenn es um das Aufführen von Ehrenautorinnen oder -autoren geht. Dementsprechend wurde in 2018 in allen uns dargelegten Fällen nur eine Beratung gewünscht, ohne dass Ombudsverfahren eröffnet wurden.

Wann liegt eine Ehrenautorschaft vor?

Gemäß den bekannten Autorschaftsrichtlinien gilt: Eine Ehrenautorschaft liegt dann vor, wenn Personen auf einer Publikation aufgeführt werden, die zu dieser keinen wesentlichen (genuinen) wissenschaftlichen Beitrag geleistet haben. In der DFG-Denkschrift zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis[1] (in der erweiterten Version von 2013) wird in der Empfehlung 12 (Wissenschaftliche Zeitschriften) klar festgehalten, welche Beiträge nicht für eine Autorschaft ausreichen. Genannt werden etwa die bloße Bereitstellung von Datensätzen oder Materialien (ohne eine Beteiligung an der Durchführung des eigentlichen Forschungsprojekts), die lediglich technische Mitwirkung bei der Datenerhebung (beispielsweise die Transkription von Interviews, ohne Beisteuerung eines intellektuellen Beitrags zum Projekt), die bloße organisatorische Verantwortung für die Einwerbung von Fördermitteln oder auch die Leitung des Instituts, an dem die Publikation entstanden ist. Auch die Guidelines des International Committee for Medical Journal Editors[2] zur Bestimmung von Autorschaften und die Empfehlungendes Committee on Publication Ethics zum Umgang mit Autorschaftskonflikten[3] unterstreichen diese Einschätzung (weiterführende Informationen hierzu auch im Kapitel „Festlegung von Autorschaften und Autorschafts­reihenfolgen“ im Jahresbericht 2016[4]).

Warum das Bestehen auf eine Ehrenautorschaft ein Fehlverhalten darstellt

Das Bestehen auf Ehrenautorschaften ist im höchsten Maß als unfair zu bewerten, denn es liegt eine Täuschung gegenüber der Wissenschaftsgemeinde und der interessierten Öffentlichkeit, wie auch gegenüber Forschungsförderern oder potenziellen Arbeit­geberinnen und Arbeitgebern vor. Es kann als systematisches Fehverhalten betrachtet werden, wenn sich eine Person durch das Durchsetzen von Ehrenautorschaften immer wieder wissenschaftliche Leistungen aneignet, die nicht ihrem „geistigen Input“ entsprungen sind – schließlich können die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, welche die Leistung de facto erbracht haben, sich diese aufgrund der Ehrenautorschaft (zumindest offiziell) nicht selbst zuschreiben. Eine derartige Intransparenz ist nicht zuletzt in Zeiten der unzähligen Indizes und Rankings – unabhängig von der Frage, ob diese gutzuheißen sind – nicht hinnehmbar.

Ehrenautorinnen und -autoren können keine Verantwortung für die Inhalte der Publikationen tragen, was sich häufig genau dann zeigt, wenn ein Fehlverhalten im Zusammenhang mit einem Artikel im Raum steht. Editoren und Editorinnen berichten (z.B. bei Gesprächen im Rahmen der World Conference on Research Integrity), dass es vorkomme, dass Personen vor oder auch nach der Publikation eines Artikels auf die Aufnahme in die Autorenliste bestehen – im Falle eines mutmaßlichen oder festgestellten Fehlverhaltens dann aus dieser aber umgehend wieder entfernt werden wollen.

Dass Ehrenautorschaften potentiell auch für den eigenen Ruf schädigend sein können, verdeutlicht folgender Fall: 2005 erschienen ein Nature– und ein Science-Artikel, in dem Meilensteine der Stammzellforschung beschrieben wurden – beide Paper erwiesen sich als fehlerhaft, der Science-Artikel wurde zurückgezogen. Zu einem auf beiden Artikeln aufgeführten senior author heißt es im 2006 erschienenen Artikel „Credit where credit’s due[5]:

 “He was quick to distance himself from the work when doubts were raised about the veracity of the data. A report from a university investigative panel was particularly biting about Schatten’s contribution to the report of the cloned dog Snuppy. It said that “his major contribution to the paper was a suggestion that a professional photographer be engaged so that Snuppy would appear with greater visual appeal. It is less clear that this contribution fully justifies co-authorship.”” [Hervorhebungen durch den Ombudsman]

Der Ko-Autor wollte nach den aufkommenden Zweifeln nicht nur nichts mehr mit dem Projekt zu tun haben, sein eigentlicher Beitrag zum Projekt stellte sich zudem als marginal heraus. Dies dürfte weder für den Ruf des Wissenschaftlers noch für den Ruf der Einrichtung, an der dieser tätig war, zuträglich gewesen sein.  

Wie können Ehrenautorschaften verhindert werden?

Wie oben beschrieben, werden Ehrenautorschaften häufig von Personen durchgesetzt, die gegenüber den weiteren Autorinnen und Autoren über eine gewisse Autorität verfügen. Ko-Autorinnen und -Autoren haben gegenüber Vorgesetzten oft – womöglich zu recht – den Eindruck, ihnen seien die Hände gebunden, wenn sie selbst keine beruflichen Nachteile erleiden wollen. Aus Sicht des Ombudsman für die Wissenschaft sollten deshalb an Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen gezielt strukturelle Bedingungen geschaffen werden, die dazu beitragen, die Forcierung von Ehrenautorschaften zu unterbinden. Wir beobachten und begrüßen, dass immer mehr Einrichtungen ein entsprechendes Problem­bewusstsein entwickeln und Lösungsansätze suchen, um derartige Praktiken zu detektieren und gegebenenfalls zu sanktionieren.

Im Zusammenhang mit einer Anfrage hat das Ombudsgremium 2018 folgende Vorschläge dazu entwickelt, wie Institutionen Ehrenautorschaften möglicherweise besser unterbinden können:

Zunächst sollte jede Forschungseinrichtung eine eigene, gut formulierte GWP-Satzung entwickeln und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die Inhalte der Satzung im Rahmen von Trainings vermitteln. Die Satzung sollte auch auf Kriterien für Autorschaften und den Prozess der Festlegung von Autorschaften und Autorenreihenfolgen eingehen. Diese sollten allen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern – unabhängig von der Karrierestufe – in regelmäßigen Seminaren zur guten wissenschaftlichen Praxis vermittelt werden. Eine Satzung und das Wissen darüber senken die Akzeptanz von Ehrenautorschaften nach­weislich signifikant[6],[7]. Wenn eine Ombudsperson in die Entwicklung eines solchen Kurses einge­bunden wird, können leicht praxisnahe Beispiele entwickelt werden, damit die Kursteilnehmerinnen und -teilnehmer die Regeln auch tatsächlich verinnerlichen.

In der Satzung könnte das nachweisliche Durchsetzen einer Ehrenautorschaft klar als Fehlverhalten definiert werden, nämlich im Sinne einer Täuschung bzw. eines Täuschungsversuchs durch die Manipulation einer Autorenliste. Nachweise für einen solchen Täuschungsversuch könnten E-Mails oder Zeugenaussagen sein. Kann die von den Vorwürfen betroffene Person nachweisen, worin ihr Beitrag zur Publikation bestanden hat, so kann der Vorwurf der Ehrenautorschaft nicht aufrechterhalten werden. Kann hingegen nachgewiesen werden, dass eine Person Druck auf Autorinnen und Autoren ausgeübt hat, sie in die Autorenliste aufzunehmen, ohne dass ein Beitrag zur Publikation erfolgt ist, sollte dieses Verhalten auf keinen Fall hingenommen werden. Können Ombudspersonen Anhaltspunkte auf einen solchen Täuschungsversuch feststellen, so sollten sie – durch die Satzung und die Leitung der Einrichtung – legitimiert sein, ein Verfahren zur Prüfung der Vorwürfe anzuregen. Die Leitung einer Forschungseinrichtung sollte derartige Hinweise ernst nehmen und den gewählten Ombuds­personen proaktiv ihr Vertrauen aussprechen. Ein solches Vorgehen kann langfristig helfen, die Glaubwürdigkeit und den Ruf der Einrichtung zu wahren.

Basierend auf der Satzung müssen Ko-Autorinnen und Ko-Autoren für die Inhalte wissenschaftlicher Publikationen konsequent zur Verantwortung gezogen werden. Autorinnen und Autoren tragen die Verantwortung für das beschriebene Forschungsprojekt – wie auch für Manipulationen, Fälschungen und Plagiate. Letztautorinnen und -autoren bzw. senior authors nehmen häufig eine koordinierende und betreuende Funktion ein und sollten sich gerade deshalb im Zweifelsfall nicht „herausreden“ können. Ist dies den Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bewusst, kann der Anreiz für das Durchsetzen von Ehrenautorschaften sinken.

Es kommt vor, dass eine Person, die eine Letztautorschaft innehat, angibt, die wesentlichen Beiträge zur Publikation seien in mündlichen Absprachen geliefert worden. Damit im Nachhinein prüfbar ist, ob diese mündlichen Beiträge tatsächlich signifikant waren, sollten zu allen Gesprächen Notizen angefertigt werden. Autorinnen und Autoren sollten den eigenen (signifikanten) wissenschaftlichen Beitrag zur Publikation belegen können. Zur Konfliktvermeidung könnte z.B. schriftlich festgehalten werden, wenn Gruppenleitende bzw. die Leitenden einer Forschungseinheit in Gespräche über ein Projekt involviert waren. Kann eine Person die Beiträge nicht belegen, sollte ihr im Zweifelsfall auch keine Autorschaft zustehen.

Generell sollte geprüft bzw. hinterfragt werden, ob die Leitenden einer Forschungseinheit (einer Gruppe, eines Instituts, einer Einrichtung) möglicherweise routinemäßig auf Publikationen aufgeführt werden, wenngleich der geleistete Beitrag z.B. nur im einmaligen „Überfliegen“ des Manuskripts vor der Einreichung bestehen könnte. Wenn einzelne Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gut eine Publikation pro Woche (oder mehr) produzieren, wirft das berechtigterweise Fragen auf[8].

Im Sinne der Nachwuchs- und Karriereförderung könnten Gruppenleitende in Erwägung ziehen, z.B. Promovierende oder auch Postdoktorandinnen und Postdoktoranden dazu zu ermutigen, selbstständig entwickelte Projekte allein zu publizieren. Selbstver­ständlich sollte jede Person, die substanziell zu einer Publikation beiträgt, in der Autorenliste aufgeführt werden. Erfolgte die Projektentwicklung und -umsetzung jedoch zum großen Teil selbstständig, und die Betreuerin bzw. der Betreuer gaben z.B. nur wenige Verbesserungs­vorschläge zum Manuskript, ist eine Nennung in der Autorenliste nicht zwangsweise nötig oder begründbar. Die in der Arbeitsgruppe entstandenen Publikationen, auf denen sie selbst nicht aufgeführt sind, könnten Gruppenleitende in ihrer Publikationsliste z.B. in einer eigenen Publikationskategorie aufführen. Dies könnte insbesondere dann interessant sein, wenn eine Arbeitsgruppe inzwischen so groß ist, dass sie in Untergruppen unterteilt ist, die meist von Postdoktorandinnen oder Postdoktoranden geleitet werden.


[1] Denkschrift „Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis“ (DFG, 2013, http://www.dfg.de/download/pdf/dfg_im_profil/reden_stellungnahmen/download/empfehlung_wiss_praxis_1310.pdf)

[2]  http://www.icmje.org/icmje-recommendations.pdf

[3] “How to handle authorship disputes: a guide for new researchers” (COPE, 2003; https://publicationethics.org/files/2003pdf12_0.pdf)

[4] https://ombudsman-fuer-die-wissenschaft.de/2164/jahresbericht-2016/

[5] “Credit where credit’s due” (Pearson, 2006, Nature; https://doi.org/10.1038/440591a)

[6] “Ongoing ethical issues concerning authorship in biomedical journals: an integrative review” (Kornhaber et al., 2015, International Journal of Nanomedicine; https://doi.org/10.2147/IJN.S87585)

[7] “Honorary Authorship in Radiologic Research Articles: Assessment of Frequency and Associated Factors“ (Eisenberg et al., 2011, Radiology; https://doi.org/10.1148/radiol.11101500)

[8] “Thousands of scientists publish a paper every five days” (Ionnadis et al., 2018, Nature, doi: 10.1038/d41586-018-06185-8; https://www.nature.com/articles/d41586-018-06185-8)

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