Publikationsvorhaben mit Wissenschaftler:innen in Russland aus Sicht der GWP

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Publikationsvorhaben mit Wissenschaftler:innen in Russland aus Sicht der guten wissenschaftlichen Praxis

– Stellungnahme des Gremiums „Ombudsman für die Wissenschaft“ aus Anlass des Angriffskriegs Russlands gegen die Ukraine (12.04.2022, aktualisierte Version*) –

Sie können hier auch eine englische Version der Stellungnahme herunterladen.

Fragestellung

Das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) eingerichtete Gremium „Ombudsman für die Wissenschaft“ ist bereits kurz nach Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine gebeten worden, unter dem Aspekt der guten wissenschaftlichen Praxis (GWP) die Kooperation im Rahmen von Publikationsvorhaben, an denen in Deutschland und in Russland tätige Wissenschaftler:innen beteiligt sind, zu beurteilen.

Ausgangspunkt

Ausgangspunkt für die Beurteilung ist das von der Allianz der Wissenschaftsorganisationen am 25.02.2022 publizierte Statement „Solidarität mit Partnern in der Ukraine – Konsequenzen für die Wissenschaft“. Zudem weisen wir auf die aktuellen Informationen des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) zu den Auswirkungen des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine hin (https://www.daad.de/de/der-daad/ukraine/). Maßgeblich sind im Übrigen – wie immer bei Fragen der GWP – die von der DFG erstellten „Leitlinien zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis – Kodex“. Zusätzlich sind die „Empfehlungen zum Umgang mit sicherheitsrelevanter Forschung“ der DFG zu beachten.

Hinweise

Das Gremium „Ombudsman für die Wissenschaft“ weist unter dem Aspekt der guten wissen­schaftlichen Praxis (GWP) auf Folgendes hin:

  1. Sowohl in bislang reibungslos verlaufenen Kooperationsprojekten als auch in Koope­ra­tionen, in denen es zu GWP-bezogenen Konflikten gekommen ist, stellt sich Wissen­schaftler:innen derzeit die Frage, ob bereits begonnene Publikationsvorhaben weiter­geführt oder unterbrochen werden sollen. Auch ist zu klären, wie mit laufenden Pub­li­kationsvorhaben, an denen in Russland tätige Kooperationspartner:innen beteiligt sind, umgegangen werden soll.
  1. Im Hinblick auf derzeit entstehende Manuskripte sehen wir zwei Möglichkeiten des Umgangs, die mit den Regeln der GWP im Einklang stehen: Manuskripte können wie geplant eingereicht werden, oder das Publikationsvorhaben kann einstweilen ange­hal­ten wer­den, bis eine Änderung der Situation eingetreten ist. Welche dieser Umgangs­weisen ver­tretbar ist, ist im Einzelfall zu prüfen.
  1. Hierbei sind insbesondere der Stand des Vorhabens sowie die Konsequenzen zu berück­sichtigen, die sich aus einer Unterbrechung für die beteiligten Wissenschaftler:innen ergeben. Insbesondere Nachwuchswissenschaftler:innen bzw. Wissenschaftler:innen in frühen Karrierephasen dürfen keine Nachteile erleiden, etwa dann, wenn zum Abschluss einer Qualifikationsphase Publikationen vorzulegen sind. Gerade dies sollte bei der Ab­wägung, wie im Einzelfall zu verfahren ist, bedacht werden.
  1. Wissenschaftliche Beiträge, die von in Russland tätigen Wissenschaftler:innen erbracht wurden, sind in Publikationen korrekt auszuweisen. Dies gilt auch für Daten, die an in Russland liegenden Einrichtungen generiert wurden. Es wäre mit den Regeln der GWP unverein­bar, Wissenschaftler:innen nicht zu nennen, obwohl sie zu einem Forschungsprojekt, das in einem Manuskript beschrieben wird, in wissenschaftserheblicher Weise beigetragen haben.
  1. Wir empfehlen Wissenschaftler:innen, die mit in Russland tätigen Projektpartner:innen kooperieren, die weitere Entwicklung der Situation sorgfältig zu beobachten und diffe­renziert zu bewerten. Wird die Entscheidung getroffen, ein geplantes oder laufendes Vorhaben zu unterbrechen, sollte den in Russland tätigen Wissenschaftler:innen signa­lisiert werden, dass das gemeinsame Publikationsvorhaben einstweilen aufgeschoben und nicht notwendigerweise eingestellt ist und dass der Wunsch besteht, das gemein­same Vorhaben möglichst bald fortzusetzen bzw. abzuschließen.
  1. Strengere Maßstäbe gelten für Vorhaben aus dem Bereich der sicherheitsrelevanten Forschung („dual use“). Insoweit empfiehlt sich der sofortige Stopp aller Kontakte ohne Inaussichtstellen künftiger gemeinsamer (Publikations-)Vorhaben. Gerade hier wird eine Wiederaufnahme von Forschungsprojekten bzw. die Planung oder Fortsetzung von Publikationsvorhaben sehr genau zu prüfen sein.
  1. Diese Empfehlungen gelten, bis die Allianz der Wissenschaftsorganisationen oder die DFG die Lage in der Ukraine im Hinblick auf die Wissenschaftskooperation zwischen Deutschland und Russland neu bewerten.

* Am 23.03.2022 wurde die erste Version der Stellungnahme publiziert, deren Titel redaktionell geändert wurde. 

Sie können die Stellungnahme hier als PDF herunterladen.

Die englische Version der Stellungnahme (“Publication Projects with Researchers in Russia as a Problem in Terms of Good Scientific Practice”) finden Sie hier.

Stellungnahme in der Version vom 23.03.2022.