Textrecycling und „Selbstplagiat“

Autor des folgenden Beitrags ist Felix Hagenström, wissenschaftlicher Mitarbeiter beim „Ombudsman für die Wissenschaft“ im Projekt „Dialogforen zur Stärkung der Kultur wissenschaftlicher Integrität – Umgang mit Plagiaten“. Der Text beruht in Teilen auf dem Kapitel „Plagiate“ im Buch Wissenschaftliche Fairness. Ein kurzer Auszug des Beitrags wurde auf der sog. dritten Ebene des DFG-Kodex veröffentlicht („Nachweis eigener Vorarbeiten (‚Selbstplagiat‘ bzw. ‚Textrecycling‘)“).

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Wiederverwertung eigener Texte in der Wissenschaft

In vielen Handreichungen zur guten wissenschaftlichen Praxis (GWP) wird die Wiederverwertung eigener Texte[1] gar nicht oder nur nebenbei erwähnt, vermutlich weil eine Erläuterung der Feinheiten, insbesondere eingedenk disziplinärer Unterschiede, komplex ausfiele. In der Tat handelt es sich bei der Wiederverwertung eigener wissenschaftlicher Texte oder Arbeiten um ein facettenreiches Phänomen mit vielen ungeklärten GWP-Fragen.

Es gibt kaum konkrete Handlungsempfehlungen und Beurteilungskriterien für Fälle textlicher Wiederverwertung. Woran bemisst sich, ob die Wiederverwertung von eigenem Text unproblematisch ist? Was sind die Bedingungen für eine GWP-konforme Wiederverwertung? Wann gilt eine Wiederverwertung als fragwürdig oder gar als Fehlverhalten?

Diese Fragen erfordern detaillierte und disziplinspezifische Antworten, die zu beantworten dieser Beitrag nicht leisten kann. Gleichsam in einem ersten Schritt soll vielmehr und in Anlehnung an neueste Arbeiten dafür argumentiert werden, den Begriff des Selbstplagiats zu verwerfen und stattdessen die breitere Kategorie des Textrecyclings zu etablieren. Letztere enthält sowohl aus GWP-Perspektive inakzeptable als auch akzeptable Wiederverwertungen eigener Texte.

1. Plagiat, „Selbstplagiat“ und Textrecycling

Zunächst soll auf die Bezeichnung „Selbstplagiat“ (auch: „Autoplagiat“ oder „Eigenplagiat“) eingegangen werden, mit der das Phänomen der Wiederverwertung häufig diskutiert wird. Sogenannte Selbstplagiate sind zu unterscheiden von (regulären) Plagiaten. Plagiate lassen sich auf Übernahmen aus fremden Vorarbeiten beschränken. Wer ohne hinreichende Kenntlichmachung Inhalte aus einer fremden Quelle übernimmt, plagiiert. Unter „Selbstplagiat“ werden hingegen für gewöhnlich Fälle gefasst, in denen jemand ohne die gebotene Kenntlichmachung eigene Vorarbeiten wiederverwertet. Der Begriff „Selbstplagiat“ ist jedoch erklärungsbedürftig, weil er paradox anmutet.[2] Wenn das Plagiat als eine unzulässige Form der Anmaßung fremder Arbeiten verstanden wird, wirkt das Selbstplagiat wie eine begriffliche Unmöglichkeit – man kann sich schließlich nichts von sich selbst anmaßen.[3] Deshalb scheint es treffender von Textrecycling zu sprechen (Moskovitz 2019; Moskovitz 2021). Doch es verstoßen nicht alle Formen des Textrecyclings gegen die GWP-Standards, die Bezeichnung „Recycling“ ist bewusst wertneutral und umfasst eine Vielzahl von Wiederverwertungspraktiken (Moskovitz 2019: 847; s.u.).

Allerdings verweist der Begriff „Selbstplagiat“ auf einen relevanten Aspekt der GWP.[4] Dem Plagiat und dem „Selbstplagiat“ ist gemein, dass sie das Woher, also den Ursprung oder die Quelle beispielsweise eines Textes oder Textausschnitts nicht in gebotener Weise offenlegen. Der Unterschied besteht hinsichtlich dessen, worüber getäuscht wird: beim „Selbstplagiat“ hinsichtlich der Neuheit (bzw. Einzigartigkeit) des Publizierten, bei typischen Plagiatsfällen hinsichtlich des Urhebers der betreffenden Leistung. Die Wiederverwertung eigener Texte kann z.B. einen unredlichen Aufbauschungsversuch der eigenen Publikationsliste darstellen oder den falschen Anschein von Originalität erwecken. Mögliche Folgen können u.a. sein, dass sich einzelne unlautere Konkurrenzvorteile im Wettbewerb mit anderen Wissenschaftlern verschaffen und die Forschungsliteratur in für den Wissenschaftsverkehr hinderlicher Weise aufgebläht wird.

Bei der Wiederverwertung der eigenen Texte sollen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Sorgfalt walten lassen und auf frühere Verwertungen des jeweiligen Textes hinweisen. So widersprechen z.B. folgende Umgangsweisen mit eigenen Vorarbeiten der GWP:

  • ungekennzeichnete Wiederverwertungen bei wissenschaftlichen Qualifikationsarbeiten wie etwa Dissertationen
  • mehrfache Publikation des gleichen Artikels in unterschiedlichen Zeitschriften ohne jeglichen Hinweis auf die vorherige Veröffentlichung (Doppelpublikation)
  • unabgesprochene Wiederverwertung durch einzelne Teammitglieder von im Team erstellter Texte

Aber nicht alle Fälle sind eindeutig. Angesichts terminologischer Unklarheiten und jener Schwierigkeiten, die der schillernde Plagiatsbegriff ohnehin in der Praxis bereitet, erscheint eine terminologische Neuausrichtung beim „Selbstplagiat“ überaus sinnvoll. Für eine solche plädieren das Forschungsprojekt Text Recycling Research Project (TRRP) und dessen Leiter Cary Moskovitz.

2. Taxonomie des Textrecyclings

Das Text Recycling Research Project (TRRP) schlägt eine terminologische Neuausrichtung vor. Die Hauptidee: Den Begriff „Selbstplagiat“ durch „Textrecycling“ bzw. „Textwiederverwertung“ ersetzen (vgl. Hall/Moskovitz/Pemberton 2021).

Terminologischer Erneuerungsvorschlag

Unter Beteiligung mehrerer Institutionen befasst sich das TRRP schwerpunktmäßig mit der Wiederverwertung von Text in den sogenannten STEM-Fächern[5]. Die grundlegenden Überlegungen scheinen aber ebenfalls anwendbar auf andere Wissenschaftsdisziplinen.[6] Das Projekt hat bereits wertvolle Begriffsarbeit geleistet.[7] Hierbei ging es zunächst um die Analyse und Kritik der terminologischen Unzulänglichkeiten rund um den Ausdruck „Selbstplagiat“ und das Phänomen der textlichen Wiederverwertung. Die existierende Terminologie etablierter Wissenschaftsorganisationen ist teilweise selbstwidersprüchlich und insgesamt inkonsistent (vgl. Moskovitz 2021: 3-5; Hagenström 2022: 111).

Laut TRRP ist Textrecycling die Wiederverwendung von Textmaterial in einem neuen Dokument, wobei drei weitere Bedingungen erfüllt sein müssen:

  • Das Material im neuen Dokument ist identisch mit oder entspricht im Wesentlichen (sowohl in Form als auch Inhalt) der Quelle;
  • das Material wird im neuen Dokument nicht als Zitat markiert;
  • mindestens ein Autor des neuen Dokuments ist auch Autor des älteren Dokuments (vgl. Hall/Moskovitz/Pemberton 2021: 1).

Textrecycling kann ethisch oder unethisch, wünschenswert oder nicht wünschenswert sein, „abhängig vom Kontext, der Art und der Quantität des wiederverwendeten Materials“ (Hall/Moskovitz/Pemberton 2021: 1). Es ist hervorzuheben, dass es für das TRRP sowohl Fälle gibt, in denen die Wiederverwertung sinnvoll ist, als auch solche, die als unethisch, eventuell als Fehlverhalten, zu beurteilen sind. Dieses Spektrum wird anhand von Best Practices und ethischen, rechtlichen und die Transparenz betreffenden Kriterien erläutert, deren Geltung jeweils begründet wird (vgl. ebd.).

Das TRRP führt zudem vier hilfreiche Klarstellungen auf:

  1. Die Unterscheidung zwischen Textrecycling und Paraphrasen (eigener Texte) ist nicht immer trennscharf; solange der ursprüngliche Wortlaut erkennbar ist, werde aber auch veränderter Text als Wiederverwertung aufgefasst;
  2. Zitieren ist von Recycling zu unterscheiden; es gelten jeweils andere Regeln;
  3. Die Definition von Textrecycling als Wiederverwertung eigener Arbeiten kann in der Praxis kompliziert sein, weil unter mehreren Publikationen von Forschungsgruppen häufig die Autoren nicht identisch sind; als Recycling betrachte man aber schon Fälle mit einer einzigen Überschneidung bei den Autoren;[8]
  4. Der Begriff des Textrecyclings ist als Ober- oder Sammelbegriff zu verstehen, der explizit ein großes Fallspektrum abdeckt, das von einzelnen Sätzen bis zu kompletten Artikeln reicht, und der gegenüber Fragen der ethischen oder rechtlichen Einordnung neutral ist.

Idealerweise, so Moskovitz, könne eine Taxonomie des Textrecyclings alle verbreiteten Wiederverwendungspraktiken wissenschaftlicher Texte umfassen, die einzelnen Kategorien sollten möglichst deckungsgleich mit den ethischen und normativen Anforderungen sein und keine Überschneidungen untereinander haben, sowie Namen tragen, die wichtige Alleinstellungsmerkmale der jeweiligen Kategorie betonen (vgl. Moskovitz 2021: 5).

Auf dieser Grundlage schlägt Moskovitz eine „Standardisierung der Terminologie“ rund um Textrecycling vor und unterscheidet vier verschiedene Kategorien des Textrecyclings, die absteigend nach ihrer allgemeinen Akzeptanz sortiert sind.[9]

  • Developmental Recycling: Hierbei handelt es sich um die Wiederverwendung von Material aus eigenen unveröffentlichten Dokumenten. Ein typischer Fall dieser Kategorie, der sowohl üblich als auch wünschenswert ist, sind Publikationen von Artikeln auf der Grundlage von eigenen Konferenzvorträgen oder ‑postern. Developmental Recycling ist in der Regel weder ethisch noch rechtlich problematisch.
  • Generative Recycling: In diese Kategorie fällt die Wiederverwendung von Material – sei es wortgetreu oder minimal für den neuen Kontext verändert – aus bereits veröffentlichten Arbeiten, wobei die neue Arbeit gehaltvolle und originäre Forschungsergebnisse enthält. Diese Art des Recyclings ist die komplizierteste und umstrittenste, weil eine Vielzahl von Faktoren festlegt, wie ein bestimmter Fall ethisch und rechtlich zu beurteilen ist. Generative Recycling gilt häufig als akzeptabel, wenn es begrenzt ist und bestimmtes Textmaterial betrifft (z.B. Hintergrundinformationen oder Methodenbeschreibungen).
  • Adaptive Publication: Diese Kategorie umfasst Fälle, in denen zentrale Teile einer bereits veröffentlichten Arbeit oder gar die komplette Arbeit recycelt werden, meistens zum Zweck der größeren Verbreitung. Eine solche Wiederverwendung geht oft mit einer Änderung der Textgattung einher (Beispiele: mehrere Aufsätze werden zu einer Dissertation, ein Aufsatz in ein Buchkapitel umgearbeitet). Die Gattung kann auch gleichbleiben, aber durch Textänderungen soll ein anderes Publikum erreicht werden (Beispiele: Übersetzungen oder Fassungen für eine Leserschaft aus anderen Fachgebieten). Ethische und rechtliche Fragen hängen vor allem davon ab, ob der Autor das Recycling hinreichend transparent macht und die nötige Genehmigung erhält.
  • Duplicate Publication: Verwendet ein Autor zentrales Material aus einer bereits publizierten Arbeit ohne bedeutende Änderungen, handelt es sich um eine Doppelpublikation.[10] Dasselbe oder bloß oberflächlich geänderte Manuskript bei unterschiedlichen Verlagen oder Zeitschriften zur Veröffentlichung einzureichen, gilt weithin als unethisch, also als konträr zur GWP, und geht auch meist mit Urheberrechts- oder Verlagsvertragsrechtsverletzungen einher.[11]

Der Begriff „Selbstplagiat“ trägt häufig die Konnotation des Fehlverhaltens, wie sie in Kategorie (4) steckt. Trotz aller bisherigen terminologischen Defizite ist denn auch zumindest folgender Punkt der ethischen Verwerflichkeit Konsens: Ganze Texte mehr oder weniger wortgleich und ohne entsprechende Kenntlichmachung noch einmal zu veröffentlichen, gilt als GWP-Verstoß und wird auch von Verlagen und Herausgebern abgelehnt. Derartige Doppelpublikationen gelten als inakzeptabel und dürften in einigen Fällen als Fehlverhalten einzustufen sein. Diesen Punkt fängt die vorgestellte Taxonomie ein – verschafft aber zugleich der Komplexität des Textrecyclings Geltung und macht deutlich, dass auch Wiederverwertungen im Sinne von (2) und (3) ethisch bedenklich und die Übergänge fließend sein können.[12]

Während Plagiate wissenschaftliches Fehlverhalten darstellen, sind beim Textrecycling andere Maßstäbe anzusetzen. Der Hauptgrund dafür liegt im erwähnten Unterschied, worin die mögliche Täuschung jeweils besteht. Plagiate verschleiern, wer eigentlicher Urheber eines fremden Inhalts ist; Textrecycling meint hingegen die Wiederverwertung eigener Leistungen. Zudem beschreibt Textrecycling ein breites Spektrum von Wiederverwertungstechniken, von denen nicht alle GWP-Verstöße oder aber Fehlverhalten konstituieren. Die Beurteilung des Einzelfalls anhand der obigen Taxonomie kann von Fehlverhalten über fragwürdig bis unproblematisch oder sinnvoll, vielleicht sogar geboten reichen. Prinzipiell gilt jedoch, dass die Wiederverwertung eigener Texte hinreichend kenntlich sein sollte. Vom Standpunkt der GWP ist eine weitere Erläuterung des Textrecyclings und insbesondere dessen problematischer Formen unabdingbar. Zudem sollten für die Praxis möglichst konkrete Regeln und Handlungsempfehlungen zur Wiederverwertung entwickelt werden.

Literatur

Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) (2013): Vorschläge zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis. Empfehlungen der Kommission „Selbstkontrolle in der Wissenschaft“. Denkschrift, Weinheim: Wiley-VCH.

— (2019a): Leitlinien zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis, Bonn.

— (2019b): Verfahrensordnung zum Umgang mit wissenschaftlichem Fehlverhalten (VerfOwF), Bonn.

European Network for Research Ethics and Integrity (ENERI) (2020): ENERI Manual. Research Integrity and Ethics, https://eneri.eu/wp-content/uploads/2020/02/ENERI-e-Manual_Nachbearbeitung-Logo.pdf vom 17.01.2022.

Hagenström, Felix (2022): »Plagiate«, in: Wissenschaftliche Fairness. Wissenschaft zwischen Integrität und Fehlverhalten, Bielefeld: transcript, S. 83-138.

Hagenström, Felix/Redaktion des Portals „Wissenschaftliche Integrität“ (2022): Nachweis eigener Vorarbeiten („Selbstplagiat“ bzw. „Textrecycling“) – Wissenschaftliche Integrität, https://wissenschaftliche-integritaet.de/kommentare/nachweis-eigener-vorarbeiten/ vom 29.11.2022.

Hall, Susanne/Moskovitz, Cary/Pemberton, Michael (2021): Text Recycling. TRRP Best Practices for Researchers, https://textrecycling.org/resources/best-practices-for-researchers/ vom 01.10.2021.

Meinel, Christoph (2013): ‚Selbstplagiat’ und gute wissenschaftliche Praxis, https://www.uni-regensburg.de/assets/universitaet/ombudspersonen/selbstplagiat-memo.pdf vom 17.01.2022.

Moskovitz, Cary (2019): »Text Recycling in Scientific Writing«, in: Science and Engineering Ethics 25, S. 813-851.

— (2021): »Standardizing terminology for text recycling in research writing«, in: Learned Publishing 34, S. 1-9.

Roig, Miguel (2015): Avoiding plagiarism, self-plagiarism, and other questionable writing practices: A guide to ethical writing, https://ori.hhs.gov/sites/default/files/plagiarism.pdf vom 17.01.2022.

Strange, Kevin (2008): »Authorship: why not just toss a coin?«, in: American Journal of Physiology – Cell Physiology 295, C567-C575.

Theisohn, Philipp (2015): »Noch einmal das Gleiche: Die Wiederverwertung von Texten als wissenschaftliches und ethisches Problem«, in: Christiane Lahusen/Christoph J. Markschies (Hg.), Zitat, Paraphrase, Plagiat. Wissenschaft zwischen guter Praxis und Fehlverhalten, Frankfurt am Main: Campus-Verlag, S. 249-259.

Zhang, Yuehong H. (2016): Against Plagiarism. A Guide for Editors and Authors (= Springer eBook Collection Literature, Cultural and Media Studies), Cham: Springer International Publishing.


[1] Der Begriff Text wird hier sehr weit gefasst und schließt auch Abbildungen wie Diagramme, Fotos, Tabellen und dergleichen ein, man könnte auch allgemeiner von „wissenschaftlichen Arbeiten“ oder „Produkten wissenschaftlicher Arbeit“ sprechen. Angesichts der Bedeutung von Abbildungen in wissenschaftlichen Publikationen erscheint es wichtig, auf die Wiederverwertung visueller Materialien nochmal eigens an anderer Stelle einzugehen wie beispielsweise Moskovitz (2019: 842-846).

[2] Christoph Meinel (2013) spricht von einer „Contradictio in adjecto”; laut ENERI (2020: 20) ist „Self-plagiarism” strenggenommen ein „Oxymoron”.

[3] Das US-amerikanische Office of Research Integrity (ORI) klassifiziert denn auch Selbstplagiate explizit nicht als wissenschaftliches Fehlverhalten (https://ori.hhs.gov/avoiding-plagiarism-self-plagiarism-and-other-questionable-writing-practices-guide-ethical-writing). Gleichwohl steht für das ORI unmissverständlich fest, dass sie vermieden werden sollten, siehe dazu die ORI-Leitlinien (vgl. Roig 2015). Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) erwähnt das sog. Selbstplagiat in ihrer Verfahrensordnung zum Umgang mit wissenschaftlichem Fehlverhalten nicht und dieverwendete Plagiatsdefinition schließt das „Selbstplagiat“ vom Tatbestand des wissenschaftlichen Fehlverhaltens aus vgl. DFG (2019b: 3). Leitlinie 13 des Kodex fordert jedoch den vollständigen und korrekten Nachweis „eigene[r] und fremde[r] Vorarbeiten“, stellt also klar, dass unzureichend gekennzeichnete Wiederverwertungen eigener Texte der GWP widersprechen. In der DFG-Denkschrift und im DFG-Kodex findet das Thema Wiederverwertung eigener Texte nur knapp Erwähnung und bleibt unerläutert vgl. DFG (2013: 30-33); DFG (2019a: 19); Erläuterung zu LL13. Seit Kurzem findet sich auf der sog. dritten Ebene ein kurzer Beitrag zum Thema, der von mir eingereicht und dann in Zusammenarbeit mit der Redaktion bearbeitet und schließlich dort veröffentlicht wurde: https://wissenschaftliche-integritaet.de/kommentare/nachweis-eigener-vorarbeiten/ (Hagenström/Redaktion des Portals „Wissenschaftliche Integrität“ (2022).

[4] Dieser Absatz ist eine fast identische Wiederverwertung eines Absatzes in Hagenström/Redaktion des Portals „Wissenschaftliche Integrität“ (2022).

[5] Das Akronym steht für „Science, Technology, Engineering and Mathematics“, entspricht also grob der im Deutschen verbreiteten Bündelung von Fächern mit der Bezeichnung MINT (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik).

[6] Für einige bedenkenswerte Bemerkungen zur „Wiederverwertung von Texten als wissenschaftliches und ethisches Problem“ insbesondere in den sogenannten Textwissenschaften siehe Theisohn (2015).

[7] Muster-Richtlinien zum praktischen Umgang mit Textrecycling hat das Projekt auf seiner Homepage veröffentlicht, siehe https://textrecycling.org/resources/trrp-policy-for-text-recycling/.

[8] Für derartige Fälle ist der Begriff des Team-Plagiats (als Sonderform des „Selbstplagiats“) vorgeschlagen worden vgl. Zhang (2016: 117-118). Hiermit ist die unzureichend gekennzeichnete Wiederverwendung von im Team erarbeiteter Inhalte durch das Team oder einzelne Teammitglieder gemeint. Darunter lassen sich also sehr unterschiedliche Fälle fassen; man kann von einer Grenzkategorie sprechen. Ein wichtiges Unterscheidungskriterium innerhalb der Kategorie scheint zu sein, ob ein Team gemeinsam die eigenen Texte recycelt oder ein einzelnes Teammitglied nicht abgesprochen die Texte des Teams unter eigenem Namen und ohne hinreichende Kenntlichmachung (wieder) verwendet. Im letzteren Fall spricht manches dafür von einem Plagiat zu reden, denn insbesondere aufgrund der Anmaßung einer fremden Leistung (schließlich handelt es sich um eine kollaborative Leistung, die sich ein einzelnes Gruppenmitglied anmaßt) ist die wesentliche Bedingung für ein Plagiat erfüllt. Der erstere Fall ist wohl je nach Umständen im Textrecycling-Spektrum von harmlos bis Fehlverhalten einzuordnen (entsprechend den vier folgenden Kategorien (1)-(4)).

[9] Die folgende Zusammenfassung ist eine geraffte Übersetzung zentraler Punkte in Moskovitz (2021: 6-7).

[10] Es sei denn, es soll nach Absprache und mit Hinweis auf die Originalpublikation genau der gleiche Text noch einmal erscheinen.

[11] Der Duplicate Publication entspricht auf der Ebene des Autorschaftsmissbrauchs der Fall Duplication Authorship, vgl. Strange (2008: C568).

[12] Moskovitz nennt die terminologische Neuausrichtung, die alte Kategorien ersetzen soll, „ambitioniert“ (2021: 8). Bis auf Duplicate Publication sind alle vorgeschlagenen Begriffe neu. Insgesamt scheint die Taxonomie eine bedeutende Verbesserung darzustellen. Nicht nur größere begriffliche Klarheit zur Benennung der Phänomene, sondern auch die Möglichkeit zur eindeutigeren Formulierung von Best Practices und GWP-Richtlinien und zur Spezifizierung des Umgangs mit Verstößen lässt sich mittels der TRRP-Vorschläge schaffen. Eine breitere Rezeption der Vorschläge und die Diskussion der Vor- und Nachteile, des Verhältnisses zu derzeit geltenden Definitionen und Handlungsleitlinien steht in Deutschland noch aus, wäre aber sicherlich gewinnbringend. Für Materialien des TRRP zu Textrecycling inkl. „Best Practices for Researchers”, mehreren „Guides” und einem Mustertext für Regeln zum Textrecycling siehe https://textrecycling.org/resources/.

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