Vertraulichkeit in Ombudsverfahren

Im Jahresbericht 2015 beschäftigten wir uns mit der Relevanz der Vertraulichkeit in Ombudsangelegenheiten. Ohne die Sicherung absoluter Vertraulichkeit sind Ombudsverfahren nicht möglich, weil eine Ver­mitt­lung in Konfliktfällen nur unter dieser Bedingung eine Chance auf eine bestenfalls ein­ver­nehm­liche und faire Lösung erhält. Wie sollte also vorgegangen werden, wenn Beteiligte einen Rechtsanwalt hinzuziehen?

Die Gewähr­leistung der Ver­traulich­keit dient dem Schutz aller in ein Verfahren involvierter Per­sonen und sie gilt auch über den Ab­schluss eines Falles hinaus. Die Vertraulichkeit schützt zum einen diejenigen, die sich an das Gremium wenden, vor möglichen Nach­teilen, die aus einer sol­chen Anfrage resultieren können. Es darf einer Wissen­schaftlerin oder einem Wissen­schaftler auf­grund ihrer/seiner Entscheidung, sich an den Ombudsman für die Wissenschaft zu wenden, kein Nach­teil ent­stehen. Zum anderen muss selbst­ver­ständlich auch die Person, auf die sich ein Hin­weis auf einen möglichen Regel­verstoß oder ein wissen­schaftliches Fehl­verhalten bezieht, vor un­ge­recht­fertigten An­schul­di­gungen be­wahrt werden. Um diesen Schutz ge­währleisten zu können, wird die Wahrung der Ver­traulichkeit zu Beginn von allen Beteiligten ein­ge­fordert. Ein Bruch dieser Ver­traulich­keit wird vom Ombuds­man für die Wissenschaft als Ver­stoß gegen die Regeln guter wissenschaftlicher Praxis an­ge­sehen und ge­gebenen­falls an die ent­sprechende Fehl­ver­hal­tens­kommission ab­gegeben. Die Ombudspersonen der Universitäten sind über­dies schon deshalb zur Verschwiegenheit verpflichtet, weil es um Informationen geht, die sie amt­lich erfahren.

Sollte die Prüfung einer Angelegenheit allerdings einen begründeten Anfangs­verdacht auf ein nicht korri­gier­bares wissen­schaftliches Fehl­ver­halten von erheblichem Gewicht ergeben, ist der Ombudsman angehalten, den Sach­verhalt der zuständigen Kommission zur Unter­suchung wissen­schaft­li­chen Fehl­verhaltens mit­zu­teilen. In Fällen von Fälschung und Betrug findet die Grundregel der Verfahrens­ver­trau­lich­keit gegenüber Untersuchungskommissionen keine Anwendung.

Vertraulichkeit und gerichtliche Verfahren

Auch im Berichtsjahr 2015 ist es vorgekommen, dass Verfahren an den Ombudsman heran­getragen wurden, die bereits gerichtsan­hängig sind oder hinsichtlich derer eine gerichtliche Auseinandersetzung angekündigt wurde bzw. absehbar ist. Falls der Streitgegenstand im gerichtlichen Verfahren identisch oder partiell deckungs­gleich mit einer möglichen Bearbeitung durch den Ombudsman ist, wird das Ombuds­gremium nicht tätig, weil die Vertraulichkeit von Informationen aus einem Ombuds­verfahren möglicherweise nicht gewahrt werden könnte. Es be­steht die Gefahr, dass im Schutze zugesicherter Vertraulichkeit zur Kenntnis gelangte Tatsachen von einer Seite für ihren Nutzen in einen Prozess ein­geführt werden; es besteht sogar die Gefahr, dass solche ver­traulichen Verfahren nur anhängig gemacht werden, um eine be­stehende Be­weis­lücke zu schließen. Des­halb nimmt das Ombuds­gremium bei an­hängigen oder angekündigten bzw. absehbaren Gerichtsverfahren zum selben Tat­sachen­stoff kein Ver­fahren an.

Einbindung von Rechtsanwälten in das interne Verfahren

Einrichtungen sind nicht selten damit konfrontiert, dass die von einem Vorwurf betroffene  Seite im Zuge von lau­fen­den Untersuchungsverfahren wegen eines möglichen (schwerwiegenden) wissen­schaftlichen Fehl­ver­haltens einen Rechtsbeistand einbezieht. Der Rechtsanwalt soll die von dem Vorwurf betroffene Seite beraten oder ver­treten; oftmals wird gegenüber der Fehlver­haltens­kommission Akten­einsicht beantragt.

Bei einem Verfahren zur Untersuchung wissenschaftlichen Fehlverhaltens „vor Ort“ (z.B. durch eine Universität) handelt es sich um einen internen Vorgang zur Sachverhaltsermittlung, das unter grund­sätzlicher Vertraulichkeit stattfindet. Es ist kein Verwaltungs­verfahren im Sinne des Ver­wal­tungs­ver­fahrens­gesetzes, sondern soll die Entscheidung, ob ein Verwaltungsverfahren eingeleitet wird, vorbereiten. An solchen internen Verfahren, die nicht darauf gerichtet sind, eine außen­wirk­same Entscheidung zu generieren, dürfen Dritte jedenfalls dann nicht beteiligt werden, wenn die Sat­zung der Universität dies so definiert. Dann ist es nicht gestattet, an etwaigen Gesprächen, bei denen die Einrichtung die Teilnahme von Vertrauenspersonen erlaubt, „externe“ Personen teil­nehmen zu lassen (Rechtsanwalt o.ä.). Das schließt die Teilnahme einer Vertrauens­person aus der Ein­richtung selbst, nicht aus.

Bezüglich der Akteneinsicht bestehen unterschiedliche Regelungen bei den verschiedenen Ombuds- und Fehlverhaltensstellen. Der Ombudsman für die Wissenschaft gewährt beispielsweise nicht grundsätzlich Ein­sicht in seine Unterlagen, sondern entscheidet dokument- und fallabhängig und mit dem jeweils erforderlichen Einverständnis der Beteiligten, ob bestimmte Unterlagen an die Gegenseite weitergeleitet werden

Wenn eine Einrichtung Akteneinsicht zu gewähren beabsichtigt oder wenn ihre Regeln den Be­tei­lig­ten diese zusichern, sollten – zum Schutz der Hinweisgeber, zum Schutz Dritter oder im Er­mittlungs­interesse der Untersuchungskommission –  ggf. einzelne Stellen ge­schwärzt oder Akten­teile ausgeheftet werden. Besonders wenn die Ein­richtung dem/der Hinweisgeber/in Anonymität gegen­über der Gegenseite zugesichert hat, um ihn/sie vor möglichen „Racheakten“ zu schützen, kann dieser Schutz durch eine Akteneinsicht gefährdet sein. Ähnliche Schutzmechanismen können unter Um­ständen auch für Gutachter notwendig sein, die zur inhaltlichen Beurteilung von Fällen zurate ge­zogen wurden.

Einbindung von Rechtsanwälten in außenwirksame Entscheidungen

Bei der Aufklärung von möglichen Fällen wissenschaftlichen Fehlverhaltens durch die dafür zustän­di­ge Kommission „vor Ort“ (z.B. durch eine universitäre Kommission) handelt es sich um eine ein­richtungs­interne Sachermittlung. Nach abge­schlossener Unter­suchung formuliert die Kommission die Ergebnisse ihrer Ermittlung und ggf. eine Empfehlung, wie die Angelegenheit zu bewerten ist. Auf der Leitungsebene der Einrichtung muss dann – nach Kenntnisnahme des Unter­suchungs­ergebnisses – entschieden werden, wie in der Sache weiter verfahren werden soll (außenwirksame Ent­scheidungen werden getroffen, wie z.B. Sanktionen etc.).

Wenn die vom Vorwurf betroffene Person beispielsweise mithilfe eines Rechtsanwalts Akten­einsicht fordert, muss zwischen der Sachverhaltsermittlung durch die Fehl­ver­haltens­kommission (in­terne Aufklärung) und dem Verwaltungsverfahren (ab dem Zeitpunkt, an dem die Kommission seine Empfehlung gegen­über der Leitungsebene ausspricht und diese über das weitere Vorgehen ent­scheidet) differenziert werden. Eine rechtlich begründete Forderung nach Akteneinsicht kann nur für das öffent­lich wirksame Verfahren gelten (Verwaltungsverfahren), nicht für die interne Auf­klärung. Insofern kann eine mögliche Akteneinsicht auch nur alle diejenigen Akten enthalten, die die Emp­feh­lung der Fehlverhaltenskommission und alle anschließenden Vorgänge umfasst (in diesem Zu­sammen­hang ist von der Fehlverhaltens­kommission abzuwägen, welche Informationen in den Bericht an die Leitungsebene aufgenommen werden).

(Dieser Beitrag ist ein Schwerpunktkapitel des Jahresberichts 2015 des Ombudsman für die Wissenschaft, publiziert am 25.08.2016.)

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